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Die Digitalisierung im Obstbau

Die Qualität und Quantität der Apfelernte hängen von vielen Faktoren ab, beispielsweise vom Klima, Baumschnitt, Vorjahresertrag sowie Nährstoffverfügbarkeit. Durch die Komplexität dieser Wechselbeziehungen kann es für den Anbauenden eine Herausforderung werden, Obstanbauflächen optimal zu verwalten und zu bewirtschaften – insbesondere im Hinblick auf die Zukunft mit weiteren Anforderungen durch Klimawandel und Fachkräftemangel.
Das Forschungsprojekt ‚Smarte Automatisierungssysteme und -services für den Obstanbau an der Niederelbe‘ (Samson) aus dem Forschungsförderprogramm ‚Zukunftsbetriebe und Zukunftsregionen‘ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) soll hierfür Lösungsansätze erarbeiten. Es umfasst die Erforschung und Entwicklung intelligenter Automatisierungssysteme und -dienste, die den gesamten Obstanbau überwachen und saisonale Daten sammeln soll. Im Anschluss unterstützen die datenbasierten Ergebnisse bei Entscheidungen für eine zukünftige Bewirtschaftung der Obstanbauflächen.
Hierbei steht im Vordergrund, den nachhaltigen Einsatz von Ressourcen im Obstanbau zu verbessern: Saisonale Erntedaten wie Wachstum, Alternanz, Ernteergebnis, Wassereinsatz sowie Behandlungsmaßnahmen werden analysiert. Ziel ist Projekts ist es, datengestützte Einzelempfehlungen bis hin zur Behandlung des individuellen Obstbaums abzuleiten, zum Beispiel beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Der erste Schritt: Sensorbox

Forschende des Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Stade haben dafür ein Multi-Sensorsystem, die sogenannte Sensorbox, für die Datenaufnahme in den Obstanlagen aufgebaut, die über die klassische Dreipunktaufnahme an jeden Schlepper montiert werden kann. In diesem Aufbau ist Sensorik zur Erfassung von Kamerabildern und präzisen GPS-Signalen integriert. Auf Grundlage der Bilddaten werden Künstliche Intelligenz-(KI-)Systeme zur Detektion von beispielsweise Schädlingsbefall entwickelt. Durch die GPS-Signale lassen sich die gesammelten Informationen einem Einzelbaum zuordnen. Zusätzlich werden in der Sensorbox verschiedene dreidimensionale Laserscanner (Lidar) erprobt, die helfen können, ein dreidimensionales Abbild des Obstbaums zu erstellen.
Die Sensorbox ist dabei laut den Forschenden so konzipiert, dass sie bei üblichen Arbeiten und normalen Fahrgeschwindigkeiten in der Obstbaufläche mitgenommen werden kann und dort parallel sowie automatisiert Daten der Obstbäume erhoben werden können.

Daten erheben und zuordnen

Mit dem Sensoraufbau wurden bereits während der Blütephase im Mai 2023 erste Datensätze im Alten Land, einem Teil der Elbmarsch südlich der Elbe in Hamburg und in Niedersachsen, gesammelt. Seitdem konnte auf dem Obstbauversuchsbetrieb der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und einem weiteren regionalen Praxisbetrieb in regelmäßigen Versuchsreihen zur Begleitung der Vegetationsphasen bereits eine große Datenmenge gesammelt werden, berichten die Forschenden.
Für eine eindeutige Zuordnung der erhobenen Sensordaten aus der Sensorbox zu den jeweiligen Flächen und einzelnen Bäumen wird an der Entwicklung einer Softwarelösung gearbeitet, die in Zusammenarbeit mit einem mobilen Messstab genutzt werden kann, um die Anbauflächen präzise einzumessen. Die Obstbauexpertinnen und -experten des Vereins Obstbauversuchsring des Alten Landes testen diese speziell für den Kernobstanbau entwickelte Lösung in der Praxis und untersuchen dabei weitere Anwendungspotenziale, wie die Einmessung von Bewässerungs- und Drainageleitungen.

Vom Datenmodell zum Digitalen Zwilling

Die Forschenden der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg haben zudem ein erstes Datenmodell entwickelt, womit die strukturierte Ablage aller Daten und Informationen gewährleistet werden soll. Vergleichbar mit dem Ordnersystem eines Computers oder eines Aktenschrankes werden die automatisiert erhobenen Daten gemäß einer systematischen Vorgehensweise abgelegt und bereitgestellt. Die daraus resultierenden Datenbanken enthalten Kenntnisse über die Beziehungen der Datenpunkte zueinander und bieten das Potenzial zum effizienten Einsatz von Algorithmen und Methoden der Künstlichen Intelligenz. Die systematische Ablage aller anbaurelevanten Informationen stellt das Rückgrat eines Digitalen Zwillings dar, sodass darauf aufbauend Vorhersagemodelle, Handlungsempfehlungen und automatisierte Dokumentationsarbeiten abgeleitet werden können.

Weiterentwicklung 2024

Für die Saison 2024 stehen zwei Sensorboxen mit unterschiedlichen Sensorbestückungen zur Verfügung, die kontinuierlich auf dem Zukunftsbetrieb Samson und bei weiteren interessierten Obstproduzenten eingesetzt werden sollen.
Ein im Januar 2024 angebotener Workshop wird über den Einsatz präziser GPS-Systeme sowie die Funktionsweise und den praktischen Einsatz nicht nur von mobilen Messstäben sondern auch der Sensorbox informieren.

Auftraggeber

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert das Forschungsprojekt Samson; Förderkennzeichen: 28DE201B21. Die Laufzeit des Projekts beträgt drei Jahre und endet im Dezember 2025. Im Namen aller Projektpartner bedankt sich das Fraunhofer IFAM bei dem Bundesministerium für die Förderung sowie bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als Projektträger für deren Unterstützung.

Quelle: www.ifam.fraunhofer.de

Bild: www.tuhh.de



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