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5G im OP: Digitale Innovationen dank Echtzeitdaten

Ein Notfall erfordert eine komplizierte Operation. Der nächste Arzt oder die nächste Ärztin mit Spezialwissen ist jedoch Hunderte Kilometer weit entfernt. Wo heute solch ein Engpass vielleicht Leben kosten würde, könnten in ein paar Jahren Chirurgen ihre Patienten aus der Ferne operieren – unterstützt durch einen Roboter mit haptischem Feedback. Ein klinikeigenes 5G-Netz sorgt für eine latenzarme Verbindung, um während der Operation kontinuierlich Daten auszutauschen. An diesem und weiteren Szenarien arbeiteten Forschende im Projekt 5G-OR (Establishing the next generation of a 5G-enabled operating room ecosystem to improve patient outcome), das nun abgeschlossen ist.
„Krankenhäuser müssen heute infolge des wirtschaftlichen Drucks zum einen neue effiziente Infrastrukturen und Prozesse aufbauen und zum anderen neue, digitale Wege der Vernetzung und des Datenaustauschs finden“, so Johannes Horsch, Projektleiter im Forschungsbereich Gesundheitstechnologien am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA am Standort Mannheim. „Beides adressiert das deutsch-französische Projekt 5G-OR, das sowohl öffentliche als auch industrielle Forschung zusammenbringt.“

KI-Einsatz in Echtzeit

„Die zentralen Ziele des Teams sind, die Komplikationsrate von Eingriffen zu senken und den Workflow in den Operationssälen zu optimieren“, betont Horsch. „Medizinische Behandlungsfehler treten heute noch bei acht bis zwölf Prozent aller Krankenhausaufenthalte auf.“ Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) erlaubt es, OP-Daten während chirurgischer Eingriffe besser zu analysieren und unterstützt den Einsatz von Robotik in der Medizin. So ist auch Professor Sascha Treskatsch, Klinikdirektor in der Charité, auf der Anwenderseite überzeugt: „Die Verarbeitung einer Vielzahl multimodaler Datensätze in Echtzeit wird die Überwachung von Patienten im Krankenhaus und insbesondere im Operationssaal während einer Anästhesie revolutionieren.“ 5G-OR bietet hierfür die Grundlage.

Vier innovative Anwendungen

Im Rahmen des Projekts setzte das internationale Team nach eigenen Angaben vier relevante Anwendungen in die Praxis um.
KI-gestützte Überwachung der Vitaldaten: Die Patienten tragen während des gesamten Behandlungsverlaufs – von der Operation bis zur Nachsorge zu Hause – einen intelligenten Patch. Dessen Sensoren zeichnen Vitalparameter auf und übermitteln sie drahtlos an eine überwachte Plattform, wo sie von KI ausgewertet werden. So sollen sich mögliche Komplikationen frühzeitig erkennen lassen. Zudem schafft 5G-OR den Entwicklern zufolge die Basis für eine vollkommen neue hochfrequente Datenverarbeitung in Echtzeit, die die Anwendung von KI in der Breite ermöglichen wird.
KI-gestützte Analyse chirurgischer Daten: Während der OP analysiert die KI zum Beispiel endoskopische Bilder oder Videosequenzen sowie Daten von chirurgischen Instrumenten und Prozessen. Auf diese Weise sollen zum einen der Fortschritt der Operation bestimmt und mögliche Anomalien oder Risiken erkannt werden. Zum anderen können solche Analysen auch die Arbeitsabläufe im OP optimieren.
Roboterassistierte Telechirurgie: In den Hightech-OP-Sälen können Chirurgen –unterstützt durch einen Roboter mit haptischem Feedback – Patienten aus der Ferne operieren. 5G gewährleistet dabei große Bandbreiten für die große Datenmengen sowie eine latenzarme Verbindung. Vor allem vor dem Hintergrund der Konsolidierung von Krankenhäusern in Deutschland, wenn Spezialisten nicht vor Ort sind, kann diese Anwendung in Notfallsituationen von Vorteil sein. Das System kann auch lokal außerhalb des OPs eingesetzt werden, erklären die Forschenden. Etwa um medizinisches Personal vor Gefahren wie Röntgenstrahlung oder Infektionen zu schützen.
Mobile Roboter-Unterstützung im Operationssaal: Ein speziell für den OP-Bereich entwickelter mobiler Roboter transportiert medizinisches Material und Instrumente. Indem er logistische Aufgaben während der Operation übernimmt, entlastet er das Krankenhauspersonal. Was in Fabriken längst Alltag ist, erfordert im OP höchste Präzision, Sicherheit, Flexibilität und Zuverlässigkeit. Das sollen 5G-Campusnetze durch bereitgestellte Echtzeitdaten gewährleisten.

 

Im experimentellen, vernetzten Hybrid-OP des Fraunhofer IPA in Mannheim profitieren neue Technologien von der hohen Bandbreite und der geringen Latenz von 5G. Bild: Fraunhofer IPA

 

Vom Projekt in die klinische Praxis

Im Fokus soll nun der Technologietransfer der Anwendungen in die klinische Praxis stehen. Dies beinhaltet ausgiebige Tests, die Prüfung von medizinischen Zulassungen sowie die Suche nach Wegen in den Markt über Industriepartner und Start-ups. Zudem will das Projektteam das Netzwerk erweitern, um einerseits breiteres Anwenderfeedback zu bekommen und andererseits die internationalen Kooperationen zu stärken. „Die enge Zusammenarbeit im Projekt zwischen Deutschland und Frankreich ist nicht nur wichtig, sondern notwendig“, betont Horsch. „Wir ermöglichen damit einen grenzüberschreitenden Datenaustausch und beschleunigen einen internationalen Konsens zur Nutzung von KI in OP-Sälen. Damit trägt 5G-OR zur Weiterentwicklung der chirurgischen Praxis und zur Verbesserung der Patientensicherheit in Europa bei.“

Die Projektpartner

Das Projekt 5G-OR vereinte grenzüberschreitend und interdisziplinär Ingenieure, Unternehmer, Chirurgen und Anästhesisten an drei Standorten – Mannheim, Berlin sowie dem französischen Straßburg. Die Expertinnen und Experten entwickelten drei hoch technologisierte hybride Operationssäle mit intraoperativen Bildgebungssystemen. Beteiligt waren neben dem Fraunhofer IPA auf französischer Seite das Institut Hospitalo-Universitaire (IHU) in Straßburg sowie die Charité Berlin, die Hochschule Reutlingen, die Unternehmen SectorCon und Karl Storz sowie das private französische Forschungs- und Technologieinstitut b<>com und das Start-up RDS (Rhythm Diagnostic Systems).

Quelle und Bild: www.ipa.fraunhofer.de



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