16 Dez Industrie 5.0: Attraktive Arbeitsplätze und Mehrwert für KMU
Viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) fremdeln weiterhin mit dem Begriff Industrie 4.0: Zahlreiche Lösungen von der Stange erscheinen ihnen als zu komplex, zu teuer in Einführung und Betrieb oder mehr am technisch Machbaren als am konkreten Bedarf einer Fertigungsanforderung orientiert. Die sich gerade unter dem Begriff Industrie 5.0 etablierende Denk- und Herangehensweise unterscheidet sich von der klassischen Automatisierungssicht: Denn nicht allein der Automatisierungsgrad entscheidet über die Effizienz der Produktion. Der gezielte Einsatz menschlichen Wissens und Könnens sowie die Integration in leistungsfähige Mensch-Technik-Systeme werden immer wichtiger für eine nachhaltige, gegenüber äußeren Störungen robustere (resiliente) und wirtschaftlichere Produktion.
Die menschzentrierte Automation
Ein Projekt des Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU zusammen mit Mitras Composites Systems führt Mensch und Technik in teilautomatisierten (hybriden) Montageszenarien zum Bau von Fahrradgaragen zusammen. Das Ziel: robuste, wirtschaftlich nachhaltige und menschzentrierte Prozesse. Basis war eine umfassende Bedarfs- und Anforderungsanalyse gemeinsam mit den Mitarbeitenden. In dem Projekt zeigte sich laut den Partnern nach einer ersten Anforderungsanalyse, dass bisher rein händisch ausgeführte Montagetätigkeiten durch eine hybride Automatisierungslösung abgelöst werden sollten, um die Produktivität zu erhöhen und Mitarbeitende von körperlich anspruchsvollen Aufgaben zu entlasten. In hybriden Szenarien wirken nun Mensch und Technik zusammen, um eine Abfolge von Arbeitsaufgaben gemeinsam zu bewältigen. Beispielsweise können nun Mitarbeitende unabhängig von Alter und Geschlecht für die Montageaufgaben eingesetzt werden – dank der Automatisierung schwerer Hebe- und Handlingtätigkeiten.
Voraussetzungen für eine Teilautomatisierung
Wenn bisher manuell ausgeführte Tätigkeiten in eine Teilautomatisierung überführt werden, beispielsweise unter Zuhilfenahme eines Roboters, gilt es einiges zu beachten, damit die Lösung als menschzentriert gelten darf. Dr. Isabel Kreißig, Projektleiterin am Fraunhofer IWU, betont: „Bestandteil unserer Arbeit war die Durchführung einer kognitiven Aufgabenanalyse, bei der wir den Montageprozess beobachtet und Gespräche mit Mitarbeitenden aus verschiedenen beteiligten Bereichen geführt haben.“ Auf diese Weise sollen Mitarbeitende, die später mit der Automation arbeiten werden, in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt werden. “Es hilft uns, Anforderungen an Automationslösungen zu verstehen und Potenziale direkt am jeweiligen Prozess zu identifizieren“, so Kreißig. Stefan Ott, Geschäftsführer von Mitras Composites Systems, bestätigt den Mehrwert einer maßgeschneiderten Lösung aus Auftraggebersicht: „Oft gibt es am Markt noch keine ganz passgenaue Lösung zu kaufen, deshalb war es für uns hilfreich, mit dem Fraunhofer IWU zusammenzuarbeiten.“ Mit den Ergebnissen konnten die Forschenden beurteilen, was sinnvoll automatisierbar wäre und welche Effekte es – auch für die Montagearbeiter – hätte, mit einer hybriden Lösung zu arbeiten.
Wertebasierte Weiterentwicklung der Industrie 4.0
Hinter dem Begriff Industrie 5.0 verbirgt sich somit eine Neubewertung digitaler und (teil-)automatisierter Lösungen. Ein allein technologiegetriebener Umbau von Produktionssystemen soll nach Meinung der Forschenden für die erhofften Effizienzgewinne gerade bei kleineren Stückzahlen meist nicht ausreichend sein und die industrielle Fertigung nicht hinreichend für differenzierte Produktpaletten und häufige Nachfrageschwankungen vorbereiten. Industrie 5.0 setzt konsequent auf den Erfolgsfaktor Mensch: Mitarbeitende, die ihre Fähigkeiten und Erfahrungen in die Gestaltung der Prozesse einbringen und gerade Automatisierungslösungen so mitgestalten können, dass diese eine deutliche Erleichterung in der konkreten Aufgabenstellung bedeuten, sollen wesentlich produktiver arbeiten. Sie identifizieren sich nach Meinung der Forschenden mit ihrem Job, nutzen und initiieren digitale Lösungen, halten ihrem Betrieb die Treue und bleiben länger gesund. Genau hier setzt die Abteilung ‚Mensch in der Produktion‘ am Fraunhofer IWU in Chemnitz an: Das Team um Dr. habil. Franziska Bocklisch richtet Industrie-4.0-Technologien konsequent auf die Werte Nachhaltigkeit, Resilienz und Menschzentrierung aus, immer mit Blick auf konkrete Lösungen, die industrietauglich und transferierbar sind, weil sie Produktivität, Effizienz und stabile Wertschöpfung sicherstellen. Das Angebot lautet, gemeinsam mit den Industriepartnern Produktionsabläufe zu analysieren und auf dieser Basis passgenaue Lösungen zu erarbeiten.
Quelle: www.iwu.fraunhofer.de
Bild: mitras-composites.com