23 Sep Projektabschluss: Digitalisierung für nachhaltigere Landwirtschaft
Flächendeckende Kommunikations- und Cloudnetze für eine Landwirtschaft der Zukunft waren in den vergangenen fünf Jahren Forschungsgegenstand des Verbundprojekts ‚Landnetz‘. Ziel war es, mithilfe digitaler Technologien Prozesse im Pflanzenbau und in der Tierhaltung besser überwachen, steuern und weiter optimieren zu können – angefangen bei der Gesundheitsüberwachung von Milchkühen und dem digitalen Herdenschutz bis hin zu autonom mechanischer Unkrautbekämpfung. Grundvoraussetzung für viele dieser digitalen Anwendungen ist jedoch eine stabile und gut ausgebaute Kommunikationsinfrastruktur, die heute in vielen ländlichen Regionen noch fehlt.
5G-vernetzte Betriebe
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderte Verbundprojekts wurde in einer ausgewählten Modellregion Sachsens dazu ein digitales Experimentierfeld aufgebaut. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Dresden, des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI und Mitarbeitende des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) erprobten darin verschiedene Technologien zur flächendeckenden drahtlosen 5G-Datenübertragung im ländlichen Raum. Sie vernetzten dazu landwirtschaftliche Betriebe in der Modellregion nordwestlich von Dresden. Im Norden wird das Testareal durch das Lehr- und Versuchsgut des LfULG in Köllitsch begrenzt. Zahlreiche Partnerbetriebe befinden sich weiter südlich in der Lommatzscher Pflege.
Nichtöffentliche Campus-Netze
Seit 2019 stellt die Bundesnetzagentur Frequenzen für den Betrieb lokaler 5G-Netze bereit. Dies ermöglichte die Schaffung einer neuen Kommunikations- und Cloudinfrastruktur, den Mobilfunk-Campus-Netzen, um digitale Anwendungen in der Modellregion zu testen und weiterzuentwickeln. Unabhängig von öffentlichen Mobilfunknetzen können seitdem stabile 5G-Funkverbindungen genutzt werden, um Daten auszutauschen und Maschinen, Roboter sowie Sensoren direkt zu vernetzen.
Multispektraldaten für Düngerstreuer
„Für eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Landwirtschaft bedarf es unter anderem einer standortangepassten und zielgerichteten Bewirtschaftung“, erklärt Professor Thomas Herlitzius, Sprecher des Verbundprojekts. 5G unterstützt ein solches Precision Farming, sagt Herlitzius. „Im Landnetz haben wir verschiedene Möglichkeiten dieser Bewirtschaftung untersucht.“ Um beispielsweise Düngemittel bedarfsgerecht nur auf Teilflächen eines Feldes auszubringen, überfliegt eine Drohne ein mehrere Hektar großes Areal und nimmt mit einer Multispektralkamera Bilder des Pflanzenbestandes auf. Diese werden mittels 5G direkt an den lokalen Server gesendet und dort verarbeitet. Auf Basis der Bilder werden die Soll-Werte für die Düngung festgelegt. Der Düngerstreuer, der ebenfalls in das Campus-Netz eingebunden ist, erhält die berechneten Werte vom Rechenzentrum und kann sie sofort für seine aktuelle Position auf dem Feld abrufen.
Modulare Robotik übernimmt die Arbeit
Die Anwendung von kleineren – mit entsprechender Sensorik und Künstlicher Intelligenz ausgestatteten – Maschinen, die komplexe Arbeitsvorgänge wie die Pflanzenschutzmittelapplikation aber auch einfache Arbeiten mit hohem Wiederholungsgrad autonom bewältigen können, ist ein weiterer großer Schritt zur Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Beispielsweise mit dem elektrischen modularen Roboter elWObot II für den Garten-, Obst und Weinbau wurde ein autonom fahrender Geräteträger entwickelt, der unter beengten Bedingungen wie in Obstplantagen zum Einsatz kommt. Mit Zusatzmodulen zum Mähen und Mulchen, für den Pflanzenschutz oder zum Konturschnitt ist er nach Aussage der Projektpartner vielseitig einsetzbar. Der elWObot II soll sensorgestützt ortsgenau und bedarfsgerecht arbeiten können. Der Roboter kommuniziert dabei ständig mit dem lokalen Server und schickt aktuelle Daten, die in der Leitstelle ausgewertet werden.
Vehicle-to-X: Vernetzte Fahrzeugbewegungen
5G bildet auch die Grundlage für vernetzte Mobilität. Um den Straßenverkehr auf dem Land sicherer zu gestalten, wurde im Rahmen von Landnetz das Teilprojekt ‚ON/OFF Road Safety‘ gestartet. Darin beschäftigen sich die Forschenden mit Kommunikationsinfrastrukturen und Informationssystemen, die es ermöglichen, bedarfsgerechte Warnmeldungen zwischen einzelnen Fahrzeugen zu senden und zu empfangen. „Mit wachsendem Autonomiegrad steigen die Sicherheitsanforderungen an die hochautomatisierte Landtechnik“, verdeutlicht Professor Matthias Klingner, Institutsleiter des Fraunhofer IVI. „Die kommunikationstechnische Vernetzung der Maschinen untereinander, mit einem überwachenden Dispatcher oder Fahrzeugen im Straßenverkehr über 5G-Mobilfunk kommt diesen Anforderungen entgegen.“ In der mit 5G ausgestatteten Modellregion wurden typische Anwendungsfälle, wie das Aufeinandertreffen einer großen Landmaschine mit einem Pkw oder einem Motorradfahrer, konzipiert und erprobt. Der spontane Informationsaustausch einzelner Fahrzeuge untereinander, zwischen Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur oder mit mobilen Landmaschinen durch Vehicle-to-X-Kommunikation kann nach Meinung der Forschenden die Verkehrssicherheit erheblich verbessern.
Im Mittelpunkt: Nutzerbedürfnisse
„Der Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft ist kein Selbstzweck“, sagt Heinz Bernd Bettig, Präsident des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Sachsen. „Vielmehr haben wir im Rahmen des Projektes die Bedürfnisse der Nutzenden in den Mittelpunkt gestellt und zukunftsweisende Technologien als Unterstützung für die steigenden Herausforderungen in der Landwirtschaft untersucht.“
Wenn es gelingt, landwirtschaftliche Prozesse mithilfe von Digitalisierung zu optimieren und beispielsweise den Einsatz von Wasser, Nährstoffen sowie Pflanzenschutzmitteln durch moderne Technik genau zu steuern, werden weniger Ressourcen benötigt. Die Landwirtschaft kann dadurch effizienter und nachhaltiger werden. Zum Abschluss des Verbundprojektes wurde im Rahmen der Regionalkonferenz ‚Digitale Anwendungen für die landwirtschaftliche Praxis‘ der aktuelle Stand der Entwicklungen vorgestellt.
Quelle: tu-dresden.de
Bild: Christian Kröling / LfULG