27 Aug Eine intelligente Haut für Industrieroboter
Die physische Interaktion zwischen Mensch und Roboter hat sich in der industriellen Fertigung zu einer Schlüsseltechnologie entwickelt, die helfen soll, Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Bei allen Entwicklungen der Mensch-Maschine-Interaktion steht dabei die Sicherheit der Arbeitskräfte im Vordergrund. Im EU-Projekt ‚Fitness‘ (Flexible Intelligent Nearfield Sensing Skins) soll die Kommunikation und Interaktion zwischen Mensch und Maschine mithilfe von intelligenten Antennenlösungen optimiert werden. Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR entwickelt dafür gemeinsam mit sechs Partnern neuartige, elektromagnetische Meta-Materialoberflächen mit integrierter Elektronik. Die flexiblen und dehnbaren Metasurface-Antennen, die sich dazu eignen, Oberflächenwellen zu emittieren, sollen die nähere Umgebung deutlich besser abtasten können als herkömmliche Antennen und dadurch die menschliche Sicherheit sowie die Performance der Roboter steigern.
Intelligente Antennen: sensorisch und kommunikativ
Bei den Metasurface-Antennen handelt es sich um flächige, in folienförmige Substrate integrierte Antennen, die sich der Kontur des Roboters anpassen. Aufgrund ihrer flachen Struktur lassen sich diese Antennen biegen und dehnen und wie eine Haut um den Roboter legen. Alternativ und in Abhängigkeit der Anwendung lassen sie sich beispielsweise auch nur am Roboterarm anbringen. Sie werden daher als Smart Skins oder intelligente Haut bezeichnet. „Unsere künftige Antennenlösung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sowohl die nähere Umgebung abtasten sowie Bewegung detektieren kann und zugleich eine funkbasierte Kommunikation mit der Basisstation in der Industriehalle beherrscht“, sagt Andrej Konforta, Gruppenleiter 3D-Druck HF-Systeme am Fraunhofer FHR. „Eine derartige Lösung bietet der Markt bislang nicht.“
Miniaturisiertes Beamforming
Die Antennenlösung soll das Beamforming – ein Verfahren zur Positionsbestimmung von Schallquellen in Wellenfeldern – ermöglichen, sodass der verstellbare elektromagnetische Strahl jederzeit zur Basisstation gerichtet ist. Die Folgen sind ein stärkeres, stabileres Signal und eine erhöhte Reichweite. Bisher unterstützen Phased Arrays das Beamforming. „Dabei werden viele Antennen in einer Gruppe verschaltet“, erklärt Konforta. „Die Phase jedes einzelnen Antennenelements ist variabel, wodurch sich die Blickrichtung der Gruppenantenne beeinflussen lässt.“ Eine Technologie, die bislang überwiegend in militärischen Anwendungen zum Einsatz kommt.
In konventionellen Gruppenantennen sind die Antennenelemente und deren Elektronik eng platziert. Das Resultat: Hohe Kosten, viel Abwärme und hohe Fehleranfälligkeit. Metasurface-Antennen hingegen können nach Aussage der Forschenden mit weitaus weniger Elektronik aufgebaut werden – ohne die Eigenschaften der konventionellen Aufbauweise zu verlieren. “Mit den Meta-Materialoberflächen verfolgen wir ein neues Konstruktionskonzept, das sehr kleine Geometrien ermöglicht, die einen hohen Freiheitsgrad beim Design der abgestrahlten Felder, aber auch die bestmögliche Extraktion der Gestensignale erlauben“, so Konforta.
Entwicklung dehnbarer Antennensubstrate
Üblicherweise werden Antennen in starre Mikrowellensubstrate integriert. Alternativ existieren Materialien, die sich auch dehnen lassen und damit eine hohe Flexibilität aufweisen. Allerdings verursachen diese flexiblen Substrate zu hohe Verluste. Sie erzielen im Hochfrequenzbereich keine optimale Leistung, wie die von den Fraunhofer FHR-Forschenden entwickelte Messtechnik ergab. Daher sollen sich die herkömmlichen, am Markt verfügbaren Substrate nicht optimal für die Übertragung von Hochfrequenzsignalen eignen.
Beim Projektpartner, die Technische Universität Hamburg (TUHH), werden deshalb neue Substrate entwickelt – das dortige Institut für Angewandte Polymerphysik (IAPP) synthetisiert dehnbare und potenziell hochfrequenztaugliche Materialien, wobei man auf einen Mix aus Polymeren sowie auf Polymere mit keramischen Fremdpartikeln setzt. Diese werden im Projektverlauf vom Fraunhofer FHR getestet. Auch wird derzeit ein vorhandener Messaufbau optimiert, für andere Frequenzbänder erweitert sowie die Software für den finalen Aufbau entwickelt. Parallel dazu untersuchen die Projektpartner, wie sich die Verformungen der dehnbaren Oberflächen auf die Eigenschaften im Nah- und Fernfeld auswirken. Langfristig geplant sind sich selbstkalibrierende Metasurface-Antennen, die ihre Krümmung und Formung eigenständig erkennen – für einen optimalen Signalempfang und weniger Kommunikationsprobleme.
Anwendungen: Robotik und mehr
Neben der Robotik im Produktionsumfeld bieten sich aus Sicht der Projektpartner auch die Medizintechnik und -robotik als Anwendungsfelder an: Hier könnten Metasurface-Antennen als intelligente Haut dazu beitragen, dass Geräte wie etwa Assistenzroboter Gesten besser erkennen und stärker mit Menschen interagieren. Auch in die Schutzausrüstung der Feuerwehr oder in Raumfahrtanzüge sind Einsätze der Technologie denkbar.
An dem Projekt sind neben dem Fraunhofer FHR und der TUHH fünf weitere Partner aus Industrie und Forschung beteiligt: das Centre National de la Recherche Scientifique CNRS, eV Technologies, die Université Catholique de Louvain, die University of Zagreb Faculty of Electrical Engineering and Computing und L-up. Die belgische Universität UCLouvain koordiniert das Vorhaben, das von der Europäischen Union gefördert wird.
Quelle: www.fraunhofer.de
Bild: Fraunhofer FHR