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Digitaler Zwilling und neues Spann­system reduzieren Bauteil­verzug

Um den Bauteilverzug gewalzter und wärmebehandelter Halbzeuge zu prognostizieren und zu reduzieren, entwickelte ein Team des Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT gemeinsam mit Partnern ein Konzept, bestehend aus einer Simulationssoftware und einer neuartigen Spannvorrichtung. Am Beispiel eines Luftfahrtstrukturbauteils aus der Titanlegierung Ti-6AI-4V konnte das Projektteam nach eigenen Angaben nachweisen, dass sich der Verzug um 94 % reduzieren lässt.

Bei der Herstellung und anschließenden Wärmebehandlung von Rohlingen aus Metall entstehen Eigenspannungen, die bei der Zerspanung zu Form- und Maßabweichungen des Bauteils führen. Vor allem nach dem Abspannen, wenn das Werkstück aus dem Spannsystem gelöst wird, kommt es häufig zu deutlichem Verzug des Bauteils. Solche Bauteilverzüge führen dazu, dass Fertigungstoleranzen nicht eingehalten werden können und das Bauteil aufwändig nachbearbeitet werden muss. Ein Report des Luftfahrt-Unternehmens Boeing aus dem Jahr 2001 bezifferte die jährlichen Kosten des Unternehmens für eigenspannungsbedingte Nachbearbeitungen und Ausschuss auf rund 290 Millionen US-Dollar.

Bauteilverzug simulierten

Die Forscherinnen und Forscher programmierten zunächst eine thermomechanische Simulation zur Bestimmung von Eigenspannungszuständen in wärmebehandelten Halbzeugen. Anhand einer numerischen Verzugssimulation gelang es im Projekt, den eigenspannungsbedingten Bauteilverzug für beliebige Zeitpunkte entlang der gesamten Fräsprozesskette zu simulieren. Die Simulation programmierten die Forscherinnen und Forscher auf Basis der Finite Cell Method (FCM).

In CAM-System integriert

Das Forscherteam integrierte gemeinsam mit dem Partner Module Works die Simulationssoftware in ein CAM-System zur Werkzeugbahnplanung. Auf der Basis der Verzugsvorhersagen testete das Team verschiedene Kompensationsmethoden, etwa die Variation der Bearbeitungsreihenfolge oder der Position des Soll-Bauteils innerhalb des Rohlings. Die Ergebnisse der Kompensationsmaßnahmen werden direkt in dem CAM-System visualisiert. Die Integration in das CAM-System hat den Vorteil, dass keine zusätzliche Software erforderlich ist. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist laut den Entwicklern, dass es sich grundsätzlich auf alle Werkstückgeometrien sowie subtraktiven Fertigungsverfahren anwenden lassen soll.

Adaptives, hydraulisches Spannsystem

Zusätzlich zu den digitalen Lösungen zur Vorhersage und Reduzierung der Bauteilverzüge entwickelte der Projektpartner Innoclamp ein adaptives, hydraulisches Spannsystem für die Fräsbearbeitung von Luftfahrtstrukturbauteilen. Mit dem neuen Spannsystem können laut dem Projektpartner Eigenspannungen der eingespannten Werkstücke während der Bearbeitung kontrolliert freigesetzt werden; die spannungsfreien Werkstücke lassen sich dann weiterbearbeiten. So würden sich die gewünschten Geometrien herstellen lassen, ohne dass sich das Werkstück beim Ausspannen nochmals verzieht. Der Bauteilverzug zwischen den Bearbeitungsschritten werde also nach Angaben der Entwickler zugelassen, ohne dass die Referenzen des Bauteils verloren gehen würden und das Bauteil erneut eingemessen werden müsse.

Digitaler Zwilling auch zur Schwingungsvorhersage

Das Forscherteam plant, die Simulationssoftware in Folgeprojekten um zusätzliche physikalische Kenngrößen, etwa die Werkstück- und Werkzeugabdrängung, zu erweitern. Zudem könne sich die Methodik künftig auch auf additive Fertigungsverfahren anwenden lassen, sagen die Forscher. Denn bei der additiven Fertigung treten ebenfalls häufig Bauteilverzüge auf, für die angepasste Kompensationsstrategien entwickelt werden müssen. Eine Weiterentwicklung des adaptiven Spannsystems sei ebenfalls bereits in der Planung.

Projektpartner sind das Fraunhofer IPT (Koordinator), Access, die RWTH Aachen, Innoclamp, Module Works und Botech.

Quelle und Bild: www.ipt.fraunhofer.de



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