Technikforum Industrial IoT

Die Stadt als digitaler Zwilling

Urbane Räume wandeln sich dynamisch. Heute erhobene Umgebungsdaten können schon morgen veraltet sein. Das ist ein Problem, wenn es um städtische Bauvorhaben oder Maßnahmen für Nachhaltigkeit und Sicherheit in der Stadt geht. Nicht selten werden bei Planungen auch heute noch viele Jahre alte Katasterpläne zugrunde gelegt. Für spezifische Fragestellungen wird kleinräumig und mit großem Aufwand vermessen. Aktuelle, umfassende Infrastrukturdaten würden Planungsprozesse deutlich effizienter machen – beispielsweise beim Netzausbau oder der Verkehrs- und Instandhaltungsplanung. Aber auch Services wie Gefahrenkarten für Extremwetterlagen, aktuell angepasste Routenplanungen oder Wegeplanungen bei Großveranstaltungen könnten sich aus einem digitalen Abbild der Stadt jederzeit und angepasst an unterschiedliche Nutzergruppen abrufen lassen.

Im Forschungsprojekt ‚Musis – Multimodaler digitaler Zwilling für eine sichere und nachhaltige Stadt‘ entwickelt das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM gemeinsam mit dem Unternehmen Incontext.technology einen Prozess, mit dem sich ein digitaler Zwilling urbaner Umgebungen schnell und engmaschig erstellen lässt. Die Idee: Messsysteme – installiert auf Taxis, Bussen oder Straßenbahnen – rollen im Verkehr mit und nehmen ganz nebenbei jederzeit aktuell die Umgebung auf.

Multisensorsystem sammelt Daten

Laserscanner, Kameras und Schallpegelmesser nehmen die Daten auf, die noch auf dem Messfahrzeug vorverarbeitet, reduziert und anonymisiert werden. Bild: Fraunofer IPM

Eine kompakte, universell einsetzbare Messbox, die ein Team am Fraunhofer IPM entwickelt, soll die Umgebung mithilfe von Laserscannern und Kameras im laufenden Verkehr erfassen. Ein Schallpegelmesser nimmt zudem die akustische Belastung auf. Die Daten werden bereits bei der Erfassung anonymisiert und damit Menschen und Fahrzeuge unkenntlich gemacht. Das robuste Multisensorsystem soll ohne großen Aufwand auf verschiedene Fahrzeuge montiert werden können. Es verfügt über eine Positionierungseinheit, sodass die Messdaten mit Standortinformationen verknüpft sind.

Mehrere Gigabyte pro Kilometer

Um die Messdaten in Echtzeit für verschiedene Anwendungen bereitzustellen, müssen die Daten bereits auf dem Fahrzeug vorverarbeitet und reduziert werden – denn auf dem Weg durch die Stadt nehmen die Sensoren eines einzigen Messfahrzeugs mehrere Gigabyte an Daten pro Kilometer auf. Ein speziell angepasstes Künstliches Neuronales Netz (KNN), das am Fraunhofer IPM entwickelt wurde, soll die Daten in der Messbox prozessieren. Beim Industriepartner Incontext.technology werden KI-basierte Algorithmen für die automatisierte Nutzung und eine semantische Anreicherung der Datenströme entwickelt und Datenmodelle für den digitalen Zwilling einer Stadt erstellt.

Die aufbereiteten Daten werden für ausgewählte Anwendungsfälle beim Monitoring von städtischer Sicherheit und Infrastruktur spezifisch für unterschiedliche Nutzergruppen über Apps und Webportale zugänglich gemacht. Als Grundlage dient der digitale Zwilling: also das semantische Modell einer Anlage oder auch einer Umgebung, das Sensordaten aus verschiedenen Systemen integriert und mithilfe von KI trainiert wird.

Das Projekt Musis wird im Rahmen des Förderprogramms Invest BW vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus gefördert.

 

Quelle und Bild: www.ipm.fraunhofer.de



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