Transistoren und integrierte Schaltkreise. Computer und Automatisierungstechnik. Der erste Laser: Die 1960er- Jahre markieren eine Epoche der industriellen Evolution, die bahnbre- chende Technologien vorantrieb. Das bunte, kulturell wie politisch turbulente Jahrzehnt zwischen Elvis Presley und Flower Power, zwischen Mauerbau und Prager Frühling hat Innovationen hervor- gebracht, die den Grundstein des heuti- gen Fortschritts legten. Massenwirksam erlebten Weltraumflüge, Tonbandgeräte, Mondlandungen und Taschenrechner ihre Premieren. Stiller, in den wissenschaftli- chen Laboren, fand die wahre Zukunft statt. Es wurde an Halbleitern getüftelt und Licht gebündelt – und damit eine technische Entwicklung in Gang gesetzt, ohne die ein weltumspannendes Daten- netz, digitalisierte Industrie oder Künstli- che Intelligenz (KI) nicht denkbar wären. 08 Die Reiskornlegende um Sissa ibn Dahir, den Erfinder des Schach- spiels, als Sinnbild des Fortschritts in unserer exponentiellen Epoche Eine Erfindung, die eine Epoche prägte 1964, im Ursprungsjahr der heutigen mpk 4.0, war die Idee des Transistors schon fast 20 Jahre alt, und sein Wett- lauf gegen die Elektronenröhre bog auf die Zielgerade ein. Bei den Halbleiter- bauelementen begannen Silizium und die CMOS-Technologie ihren Siegeszug in mikroelektronischen ICs, den Mikro- chips, womit die Grundlage der moder- nen Computertechnik geschaffen war. Die Konsequenzen dieses Durchbruchs waren damals nur wenigen klar; erst im Folgejahr formulierte Gordon Moore, For- schungsdirektor eines US-amerikanischen Halbleiterfabrikanten, sein berühmtes Postulat, das als Moore’s Law noch viele Jahrzehnte der Elektronik prägen sollte: Moore sagte einen exponentiellen Anstieg der Transistorzahl pro Flächeneinheit auf den Chips voraus, was einen ebensolchen Zuwachs an Komplexität und Leistung bedeutete. Heute spricht man von einer Verdopplung der Rechenpower alle ein- einhalb bis zwei Jahre, und der Trend scheint noch immer ungebrochen. Vier Dekaden später erkannte Moore, dass sich alle vier Jahre auch die Halbleiter-Her- stellkosten verdoppeln würden – was je- doch dem Fortschritt keinen Abbruch tat. Schach und die Macht der Exponentialfunktion Doppelte Rechenleistung nach zwei Jah- ren, das klingt zunächst moderat. Doch Prozesse, die sich mathematisch mit Funktionen dieser Art beschreiben las- sen, sind hochdynamisch. Bekannte Bei- spiele aus Wissenschaft und Wirtschaft sind die Ausbreitung von Viren, der ra- dioaktive Zerfall oder die Entwicklung ei- ner Kapitalanlage nach dem Zinseszins. Moore’s Law erinnert an die sogenannte Reiskornlegende, die mit Sissa ibn Dahir, dem Schöpfer des Schachspiels, verbun- den ist. Als Belohnung für seine Erfin- dung sollte Sissa Reiskörner entsprechend der Felderzahl auf dem Schachbrett er- halten; ein Korn für das erste Feld, zwei Körner für das zweite, vier fürs dritte, acht fürs vierte und so fort, sodass sich die Zahl von jedem Feld zum nächsten verdoppele. Wie die Leistungsfähigkeit der Halbleiterchips mit jedem zweiten Jahr. Anfangs amüsiert, wurde Sissas Auf- traggeber stutzig, als seine Rechenmeis- ter die Reismenge nach Tagen noch nicht ermittelt hatten – und nervös, nachdem er erkannte, dass sein ganzes Land sie nicht würde aufbringen können. Das Analogon der Schachbrettaufgabe ist ideal, um zu verstehen, welches Inno-